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Kurt H. Illi Fachklasse Grafik, Luzern:
Der Widerstand lohnte sich – vorerst...

 

VON VERA BUELLER

Die schweizweit tiefsten Unternehmenssteuern – Ergebnis bürgerlicher Finanzpolitik – hatten zu leeren Kantonskassen geführt. Dazu kamen Mindereinnahmen wegen des neuen nationalen Finanzausgleichs und der ausbleibenden Weihnachtsbescherung der Nationalbank. Die Regierung des grössten Zentralschweizer Kantons geriet in den Panikmodus: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion, ohne irgendwelche Konsultationen oder vertieftere Abklärungen beschloss der Regierungsrat für 2016 ein radikales Sparprogramm. Hauptopfer der regierungsrätlichen Rotstift-Orgie sollte der Bildungsbereich sein – und hier besonders die Berufsbildung. Neben einwöchigen Zwangsferien für die Schüler sowie Pensenerhöhungen und Lohnkürzungen für die Lehrer wollte man insbesondere die renommierte Fachklasse Grafik ersatzlos streichen. Sie ist die einzige Schule in der Zentralschweiz, die eine Ausbildung zur Grafikerin oder zum Grafiker mit eidgenössischem Abschluss für Absolventen der Sekundarschule anbietet. Ohne diese Schule könnte der Grafikerberuf nur noch mit Matura an der Hochschule erlernt werden.

Weil der Regierungsrat wusste, dass sein Paniksparen auf heftigen Widerstand stossen würde, wollte er seine Beschlüsse bis kurz vor der Budgetdebatte im Kantonsrat geheim halten und die Abgeordneten quasi vor vollendete Tatsachen stellen. Da hatte er allerdings nicht mit dem Fördererverein Fachklasse Grafik (ffgrafik) gerechnet. Der bereits vor zwei Jahren in Vorahnung des kommenden Ungemachs gegründete Verein lancierte aus dem Stand eine Kampagne gegen die Schliessungsabsicht des Regierungsrates: Eine Petition zum Erhalt der Schule unterschrieben in nur vier Wochen mehr als 20'000 Personen. Intensive Lobbyarbeit brachte sowohl die Bildungs- wie auch die Finanzkommission dazu, dem Kantonsrat die Ablehnung der regierungsrätlichen Schliessungsabsicht zu beantragen. Eine stark beachtete Pressekonferenz, an der unter anderen auch Emil Steinberger – einst selber Absolvent der Fachklasse Grafik in Luzern – teilnahm, war zudem der Anfang einer breiten Medienberichterstattung. Ergänzt wurden diese Aktivitäten des Vereins durch Protestkundgebungen der Schülerinnen und Schüler und eine vom Gewerkschaftsbund organisierte Grosskundgebung.

Und der Widerstand lohnte sich: der Kantonsrat lehnte die Schliessung der Fachklasse Grafik mit 79 gegen 34 Stimmen ab.

Ist die Schule also gerettet? Nicht wirklich. Der Verzicht auf die Schliessung ist ein vorläufiger, denn er wurde mit einer gefährlichen Auflage verbunden: Weil die grafischen Betriebe und Ateliers in der Zentralschweiz kaum Lehrlinge ausbilden, sind die meisten Schüler der Fachklasse Grafik Vollzeitschüler. Und weil diese den Kanton mehr Kosten als Berufsschüler, die eine Lehre in einem Grafikbetrieb absolvieren, soll nun mit aller Gewalt die Zahl der Lehrstellen auf Kosten der Vollzeitschüler erhöht werden. Bewerkstelligen sollen das die Berufsverbände der Branche. Die notorisch ineffizienten Verbände werden das kaum schaffen. Mit anderen Worten: Bei einem der nächsten Sparprogramme wird die Fachklasse Grafik erneut zur Disposition stehen.

Dabei ist die Logik doch gerade eine andere: Weil die Nachfrage nach kreativen Köpfen, nach Grafikerinnen und Grafikern mit Praxisbezug in der boomenden Kommunikationsbranche gross ist, und weil diese Nachfrage nicht allein durch Lehrbetriebe befriedigt werden kann, braucht es Vollzeitschulen wie die Fachklasse Grafik Luzern. Es sei denn, der Kanton Luzern will sich bewusst als Standort für innovative Betriebe der Kommunikationsbranche verabschieden.

Januar 2016

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